42 Kilometer für die Sinne – Mein Erlebnis beim Slow Marathon – 16. und 17. Juli 2025
Anreise mit Erinnerungen
Los ging’s für mich ganz gemächlich – wie es sich für einen „Slow Marathon“ gehört. Mit dem Bus fuhr ich von Alfeld über die Dörfer nach Hildesheim. Über eine Stunde Zeit, in der meine Gedanken zu wandern begannen. Mein Rucksack auf dem Schoß, das Kribbeln im Bauch – das erinnerte mich stark an meinen Jakobsweg im letzten Jahr.
Am Hildesheimer Hauptbahnhof angekommen, hatte ich noch etwas Zeit. Ich begegnete Jürgen, ebenfalls mit Rucksack unterwegs. Wir kamen sofort ins Gespräch. Auch er wollte an der Wanderung teilnehmen und war – wie ich – gespannt, was uns erwarten würde. Als schließlich alle Teilnehmenden eingetroffen waren – elf an der Zahl – ging es los. Ich war froh über die kleine Gruppe. In wenigen Tagen findet die gleiche Veranstaltung erneut statt – mit über 30 angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Da bin ich ehrlich gesagt ganz froh, diesmal dabei gewesen zu sein – in einem Rahmen, der sich für mich genau richtig anfühlte.

Start auf dem Rennstieg
Nach einer kurzen Begrüßung liefen wir gemeinsam zum Hildesheimer Dom, dem offiziellen Startpunkt des historischen Rennstiegs. Durch die Altstadt, dann die Weststadt, schließlich hinein in die Wälder des Steinbergs. Schon bald erreichten wir die erste Station – „Fühlen“. Hier wurde es kreativ und interaktiv, zwei liebevoll gestaltete Figuren erwarteten uns am Wegesrand.
Weiter ging es zur Klosterkirche in Marienrode, ein stiller Ort mit besonderer Ausstrahlung. Im Hildesheimer Wald begegnete uns dann gleich zweifach der Sinn „Hören“: Zuerst das Hildesheimer Duo Alter Falter, das uns mit Gitarre und Gesang begeisterte. Besonders in Erinnerung blieb das augenzwinkernde Lied „Wasserhasser“ – passender hätte es bei dem Wetter kaum sein können. Wenig später folgte eine eindrucksvolle Klanginstallation des Künstlers Alexander Pietz, die uns zum bewussten Lauschen einlud – mitten im stillen Wald.
Vom Regen begleitet
Kurz darauf holte uns der Regen richtig ein – und ehrlich gesagt war unsere Laune zu diesem Zeitpunkt eher am Tiefpunkt. Durchnässt, erschöpft und etwas durchweicht standen wir an der Station „Riechen“. Der Künstler versuchte, uns unter einem Regenschirm mit Geschichten und Düften zu inspirieren. Es war eine schöne Idee, aber bei dem Wetter kaum zu würdigen. Trotzdem: Wir hielten durch.
Durch die Feldmark erreichten wir Eberholzen und oberhalb des Ortes die Station „Balancieren“ – mit einer großartigen Aussicht ins Leinebergland. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, und mit den ersten Sonnenstrahlen hob sich auch unsere Stimmung merklich. Wir lachten wieder mehr, spürten neue Energie – und genossen die Aussicht doppelt. Nun lagen die letzten Kilometer des ersten Tages vor uns. Im sogenannten „Vorwald“ wechselten sich breite Forstwege mit schmalen Pfaden ab – ein schöner Wechsel.
Abend auf der Wernershöhe
Als wir schließlich die Kulturherberge Wernershöhe erreichten, erwartete uns dort die Station „Schmecken“. Nach dem Duschen und Beziehen der Zimmer – ich teilte mir ein gemütliches Fünfbettzimmer mit Ute und Ingrid – gab es ein gemeinsames vegetarisches Abendessen. Es erinnerte mich an die Abende auf dem Jakobsweg: müde, zufrieden und in Gemeinschaft.
Ein besonderes Highlight war Claudias mitgebrachte Tischdecke. Auf ihr hatte sie die gesamte Route von Hildesheim bis Winzenburg gestickt. Der rote Faden symbolisierte ihre eigene Spur – wir Mitwandernden wurden durch andere Farben dargestellt. Eine wunderschöne, symbolische Geste.
Trotz Müdigkeit lauschten wir am Abend noch einer jungen Musikerin und ihrem Sohn, die für die regionale Veranstaltung hört!hört! probten. Wir waren ihre ersten Zuhörenden – und spendeten begeisterten Applaus. Danach saßen wir noch am großen Lagerfeuer zusammen, bevor ich müde, aber zufrieden in mein Bett fiel.
Neuer Tag, neue Eindrücke
Mit dem ersten Hahnenschrei um fünf Uhr wachte ich auf, schlief aber noch einmal ein. Nach einem leckeren Frühstück mit Müsli, frischen Beeren und Croissants machten wir uns wieder auf den Weg. Rund um die Herberge gab es einiges zu entdecken: Die Holzbildhauerin Stefanie, zufällig zu Gast auf der Wernershöhe, zeigte uns ihre beeindruckende Tier-Skulptur aus Holz und begleitete uns anschließend auf unserer Tour nach Winzenburg.
Der zweite Tag war die „gemütlichere“ Etappe des Slow Marathons – aber ganz ohne Herausforderung sollte es auch heute nicht bleiben. Claudia führte uns zu einem Abstecher hinunter zur Irminsul (auch Irmensäule genannt) bei Irmenseul. Dort wartete die Station „Sehen“ mit einem traumhaften Ausblick ins Umland – und goldgerahmten Bilderrahmen, durch die wir die Landschaft wie ein Gemälde betrachten konnten.
Achtsamkeit zum Abschluss
Zurück auf dem Rennstieg wanderten wir weiter Richtung Winzenburg. Bald erreichten wir die Apenteichquelle – ein Ort mit besonderer Ausstrahlung. Hier erwartete uns Barbara mit der Station „Siebter Sinn“, die sich der Körperempfindung widmete. In stiller Runde saßen wir auf kleinen Hockern, lauschten, fühlten nach innen. Barbara hatte für jede und jeden von uns ein kleines Geschenk dabei: die gedruckte Hödeken-Sage – eine schöne Erinnerung.
Die letzten Schritte führten uns zur Fischerhütte in Winzenburg. Hier versammelten wir uns ein letztes Mal – natürlich wieder mit Claudias gestickter Tischdecke. Sie begleitete uns wie ein roter Faden durch diese beiden besonderen Tage.
Mein Fazit
Der Slow Marathon war keine gewöhnliche Wanderung. Es ging nicht um Tempo, nicht um Leistung – sondern um das bewusste Unterwegssein. Um das Erleben mit allen Sinnen, das Spüren von Gemeinschaft, das Staunen über Kunst und Natur. Und um das Ankommen – nicht nur am Ziel, sondern bei sich selbst.
Was mir generell bei längeren Wanderungen wichtig ist: Wenn Wege gut ausgeschildert sind und es Gelegenheiten zum Verweilen gibt – Bänke, schöne Ausblicke, stille Plätze –, dann wird das Gehen noch einmal achtsamer und erholsamer. Besonders die Etappe ab Wernershöhe bot hier spürbar mehr: klare Wegweiser, kleine Rastplätze, Momente zum Innehalten. Das hat mein Wandererlebnis deutlich bereichert.
Ich bin dankbar, dass ich dabei sein durfte.
Eindrücke vom Weg – Slow Marathon in Bildern:












2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Das ist ja eine wunderbare Zusammenfassung von unseren schönen Tagen zusammen. Ich bedanke mich für die Gespräche, die Freundschaft und Kameraderie beim Laufen und bei all den Sinnen.
Liebe Claudia,
vielen Dank für deinen schönen Kommentar – das freut mich sehr! Auch für mich war es eine besondere Zeit: inspirierend, entschleunigend und voller wertvoller Begegnungen. Ich hoffe sehr, dass sich unsere Wege wieder kreuzen – vielleicht ja bei einem weiteren Slow Marathon!
Herzliche Grüße
Bärbel